Der Zwang zu helfen
Hilfsbereitschaft ist etwas sehr Schönes!
Hier geht es jedoch um ein übertriebenes und unreflektiertes Verhalten, was letztendlich nicht gut tut. Es kann zu einem Burnout und zu Depressionen führen.
Fühlen Sie sich schnell zuständig für andere Menschen? Haben Sie einen inneren Automatismus oder Zwang, anderen zu helfen? Können Sie gar nicht anders? Fühlen Sie sich prinzipiell schlecht, wenn Sie NEIN sagen?
Dann könnte es sein, dass Sie als Kind einen Rollentausch erlebt haben. Die Eltern, meist die Mutter, konnte ihrer Rolle nicht gerecht werden. Dies geschieht häufiger in Familien. Dann übernimmt das Kind die Elternrolle, d.h. es übernimmt viel zu früh zu viel Verantwortung für den Elternteil und oft auch für die Geschwister.
Parentifizierung
Der Rollentausch (Parentifizierung = Kind übernimmt Elternrolle) kann sich auf praktische Aufgaben beziehen oder auch auf die emotionale Versorgung. Meist ist beides der Fall. Sind Eltern psychisch oder körperlich nicht in der Lage, ihre Aufgaben zu erledigen, wird dies vom Kind erwartet.
Oft übernimmt das Kind dies auch automatisch. Es fühlt sich zuständig für die emotionale Stabilisierung des Elternteils oder sogar für die Beziehung der Eltern. Es vermittelt bei Konflikten und tröstet. Manchmal wird es zum Partnerersatz. Es wird verantwortlich gemacht, wenn etwas nicht klappt.
Damit ist ein Kind emotional maßlos überfordert. Und das hat massive Spätfolgen.
Mögliche Spätfolgen
Solche Kinder wirken sehr vernünftig und reif. Sie haben schon früh gelernt, nicht zu stören und ausgleichend zu reagieren. Diese Fähigkeit ist ein enorme Anpassungsleistung, um zu überleben. Dadurch stellt ein Kind unbewusst ein Gefühl der Sicherheit her. Ein Kind ist abhängig davon, dass die Mutter bzw. die Eltern funktionieren.
Für die gesunde Entwicklung muss ein Kind Kind sein dürfen, d.h. es braucht Sicherheit, Geborgenheit und Wohlwollen. Wirklich sicher kann sich ein Kind jedoch nur fühlen, wenn Erwachsene ihm dies geben.
Deshalb ist es maßlos überfordert, wenn es selbst dafür sorgen muss. Ist dies ständig über lange Zeit der Fall, wird das „Sorgen für andere“ zur zweiten Natur. Es wird ein Verhaltensmuster, das auf alle späteren Beziehungen übertragen wird.
Außerdem haben diese Kinder kein Gefühl für Zuständigkeiten und Abgrenzungen. Sie fühlen sich für alles und jeden verantwortlich.
Ängste, innere Unsicherheit und Selbstzweifel
- Drang, anderen zu helfen
- großes Pflichtgefühl
- vergessen eigener Bedürfnisse
- großes Harmoniebedürfnis
- alles selbst machen wollen
- ich bin schuld
- Perfektionismus
- symbiotische Beziehungen
- Ängste
- tiefes Gefühl von Unsicherheit
- verborgene Wut
- Gefühl, zu kurz zu kommen
Hilfe und Veränderung
Damals war das Helfen eine Überlebensstrategie – heute ist sie nicht mehr notwendig. Jetzt ist die Zeit, sich selbst kennen zu lernen und sich weiterzuentwickeln!
Wie funktioniert das?
Lernen Sie, sich zu verstehen in Ihrem Verhalten, Ihren Bedürfnissen und Ihren Gefühlen. Dies ist ein längerer Weg und Prozess.
Auch eine große Traurigkeit gehört dazu, dass Sie nie richtig Kind sein durften. Lassen Sie diese Trauer zu, sie ist gesund. Viele Depressionen entstehen aus nicht gelebter Trauer.
Lernen Sie diesen Anteil in sich kennen, der zu kurz gekommen ist („Inneres Kind“). Diese Nach-Heilung braucht viel Zeit, Übung und Wohlwollen mit sich selbst. Dies kann mit Unterstützung in einer Psychotherapie gelingen.
Betroffene haben oft enorme Resilienz
Menschen, die früh erwachsen sein mussten, haben wesentliche Dinge vermisst. Ja. Doch die andere Seite der Medaille ist, dass diese Menschen viele Fähigkeiten und Stärken entwickelt haben.
Oft sind sie in helfenden Berufen tätig. Sie sind sehr empathisch, setzen sich für Schwächere ein und sind sehr umsichtig. Außerdem zeichnet sie ein großes Durchhaltevermögen aus. Sie geben nicht so leicht auf und gehen mit viel Kreativität Probleme an.
Wenn Sie all diese Fähigkeiten nun für sich selbst einsetzen lernen, können Sie auch zu sich selbst finden. Dafür ist es nie zu spät!