Eigentlich haben wir alles, was wir brauchen. In unserem Land hatten wir schon fast 70 Jahre keinen Krieg mehr, wir haben genug zu essen, keine großen Naturkatastrophen oder sonstige Dinge, die uns ängstigen müssten.
Und trotzdem gibt es Situationen, in denen bei Menschen plötzlich Angst auftaucht: Angst vor der Prüfung, Angst schwindelig zu werden, Angst mit vielen Menschen in einem Raum sitzen zu müssen, Angst rot zu werden, Angst sich zu blamieren, Angst vor der Angst – ein Teufelskreis. Das Angstgefühl kann in der Situation so bedrohlich werden, dass auch der Körper reagiert mit Schweißausbrüchen, Zittern, Durchfall, Herzrasen bis hin zu einem Angstschock (Ohnmacht). Für Außenstehende mag die Reaktion unverständlich und übertrieben sein.
Deshalb ist es hilfreich zu wissen, was Angst eigentlich ist. Angst kennt nicht nur der Mensch. Auch Tiere haben Angst. Sie tritt auf, wenn das Leben in Gefahr ist. Mit dem Gefühl von Angst wird gleichzeitig Adrenalin ausgeschüttet, was sofort körperliche Auswirkungen hat: Unruhe in den Beinen, der Blutdruck steigt, das Herz schlägt schneller, alles ist auf Flucht oder Angriff eingestellt. Deshalb ist die Angst ein Mechanismus, der dem Urmenschen half zu überleben. Auch dem modernen Menschen kann ein gewisses Maß an Angst helfen, z. B. wachsamer im Straßenverkehr zu sein oder vor einer Klassenarbeit rechtzeitig mit dem Lernen zu beginnen. Doch dieser Angstmechanismus kann auch im extremen Fall einen Schock hervorrufen, wo Atmung und Herzschlag stocken und eine Lähmung bis hin zur Ohnmacht eintritt.
Um die unangenehmen Angstgefühle zu vermeiden, vermeidet man dann die Situation, die ängstigt. So entsteht die Angst vor der Angst. Eine nicht bestandene Fahrprüfung ist keine Lebensbedrohung, kann aber als katastrophal erlebt werden. Durch die Erwartungsangst “beim nächsten Mal wird es wieder so schlimm oder noch schlimmer” kann sich die Angst noch verstärken.
Schon das Wissen um diese Zusammenhänge kann helfen. Wir können die Erwartungsangst mit unseren Gedanken beeinflussen. Wir können lernen, die Angst-Situation anders zu bewerten. Ist es wirklich eine Katastrophe, wenn ich rot werde oder mich mal blamiere? Wir dürfen auch Fehler machen und müssen nicht immer perfekt sein.
So durchbricht eine Einstellungsänderung den Bann der Angst. Manchmal gelingt das besser und schneller mit Hilfe eines Psychotherapeuten.
Eine “gesunde” Angst gehört zum Leben. Sie dient uns dazu, wachsam und beweglich zu sein.